Weltweit haben Regierungen Vorschriften erlassen, die Unternehmen dazu zwingen, ihren Umgang mit Nutzerdaten neu zu bewerten. Tech-Unternehmen führen neue Datenschutzfunktionen und Richtlinien ein, die das Tracking durch Dritte einschränken. Damit rückt die Cookie-freie Welt immer näher.
Google hat die Abschaffung von Cookies mehrfach verschoben. Werbetreibende, die nun durch den Aufschub aufs Jahr 2024 erleichtert sind, sollten sich jedoch nicht zu früh freuen. Beliebte Werbemethoden, wie das verhaltensbasierte Targeting, sind nämlich weniger zuverlässig und nachhaltig geworden.
Marketer und Werbetreibende konzentrieren sich jetzt darauf, die First- und Zero-Party-Daten zu sammeln. Hier wird die Einwilligung wissentlich erteilt.
Dabei überdenken sie Methoden wie das Contextual Targeting (Kontext-Targeting). Es ist seit den Anfängen der Online-Werbung bekannt und kehrt nun in einer völlig neuen Form zurück.
Sie gestalten dadurch ihre Werbestrategie neu, um Anzeigen zu schalten, die die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich ziehen, ohne deren Privatsphäre zu verletzen.
Ist Contextual Targeting die Wunderwaffe?
Was ist Contextual Targeting?
Bei „Contextual Targeting“ handelt es sich um eine Form der gezielten Werbung. Bei ihr liegt der Schwerpunkt auf der Ausrichtung von Anzeigen auf den Inhalt einer bestimmten Seite und nicht auf dem Targeting anhand von Nutzerdaten.
Diese Methode untersucht Faktoren wie Schlüsselwörter, Themen, Sprache und Standort, um Anzeigen mit relevanten Inhalten abzustimmen. So gewinnt man die Aufmerksamkeit der Besucher, ohne in ihre Privatsphäre einzudringen.
Der Kern des Contextual Targeting liegt darin, sicherzustellen, dass die Werbeinhalte für den Betrachter relevant und zeitgemäß sind, ohne dabei seine Datenschutzrechte zu verletzen.
Die Rückkehr des Contextual Targeting
Contextual Targeting ist nichts Neues – es existiert gewissermaßen seit den Anfängen der digitalen Werbung.
Anfangs haben Werbetreibende den Inhalt einer Webseite auf der Grundlage von Schlüsselwörtern mit dem Inhalt einer Anzeige abgeglichen.
Diese Methode war jedoch nicht sehr effektiv. Und angesichts des laschen Umgangs mit den Datenschutzrechten im Internet gingen die Unternehmen dazu über, personalisierte und damit effektivere Werbung zu schalten.
Die Regel war einfach: Je personalisierter die Anzeige ist, desto besser wirkt sie.
90 % der führenden Vermarkter sagen, dass die Personalisierung wesentlich zur Profitabilität des Unternehmens beiträgt.
Think with Google
Zum einen waren Nutzerdaten vor der Durchsetzung strenger Datenschutzgesetze wie der DSGVO ein leicht verdientes Gut. Zweitens war und ist die Personalisierung ein wirksames Mittel, um Konversionen zu fördern.
Diese perfekte Theorie erwies sich jedoch als untauglich, als sie in der realen Welt getestet wurde, die sich in der Zwischenzeit erheblich verändert hat.
Verhaltensorientiertes Targeting und Datenschutzprobleme
Die Problematik des „Behavioral Targeting“ bestand darin, dass sich die Marketer nur selten die Mühe machten, die Werbung auf eine bestimmte Phase der Buyer’s Journey zuzuschneiden. Beispielsweise bedeutete das, dass ein einmaliger Kauf einer Kaffeemaschine Sie auf Dauer als Kaffeemaschinenliebhaber auszeichnete.
Als Nutzer in großem Umfang hoch personalisierte, aber oft nicht sehr relevante Anzeigen gesehen hatten, wurde das aufdringliche Remarketing für sie lästig. Das führte schließlich zur sogenannten Banner-Blindheit, die für die Unternehmen inakzeptabel war.
Laut der Umfrage der Cybersicherheitsfirma RSA, nur 29 % der Befragten gingen davon aus, dass die Weitergabe ihrer Daten zu besseren Produkten oder Dienstleistungen führt, gegenüber 31 % im Vorjahr. Über die Hälfte der US-amerikanischen Facebook-Nutzer waren „nicht sehr“ oder „überhaupt nicht einverstanden“ damit, dass Facebook ihre Aktivitäten verfolgt, um ihre „Werbepräferenzen“ zusammenzutragen.
Insider Intelligence
Auf die Banner-Blindheit folgten mehrere Datenschutzverletzungen und -missbräuche, wie Cambridge Analytica und das sogenannte Russia-Gate, um nur einige zu nennen. Sie zeigen auf, wie bösartig datenbasierte Geschäftsmodelle sein können. Die Nutzer wurden mit der harten Realität konfrontiert, dass „wenn es nichts kostet, dann bist du das Produkt“.
Die Zunahme der Datenschutzgesetze und die Bedenken der Verbraucher in Bezug auf den Datenschutz erforderten eine Umgestaltung der Strategien von Big Tech. Somit tauchte das Contextual Targeting wieder auf, wenn auch in einer ausgefeilteren und aufgefrischten Version.
Contextual Targeting ist eine sicherere Alternative zum Behavioral Targeting. So kann man Websites und Apps datenschutzkonform monetarisieren in Zeiten verschärfter Datenschutzvorschriften wie der DSGVO und CCPA.
Wie funktioniert Contextual Targeting?
Der moderne Ansatz des Contextual Targetings wurde durch KI-Algorithmen vorangetrieben. Diese sind in der Lage, die Feinheiten des Inhalts zu verstehen, ihn zusammenzufassen und die wichtigsten Informationen zu extrahieren. Auf diese Weise stimmen Werbetreibende Anzeigen präziser auf Inhalte ab und platzieren sie dort, wo sie bei der Zielgruppe am ehesten ankommen. Content Matching beruht nicht mehr nur auf Schlüsselwörtern.
Zudem ermöglicht die KI den Einsatz von First-Party-Datensätzen, um vorherzusagen, wie Nutzer Inhalte konsumieren werden. KI findet Verhaltensmuster auf Grundlage des früheren Nutzerverhaltens und schließt so die Lücke zwischen kontextbezogenen und verhaltensbezogenen Targeting-Techniken. Gleichzeitig hat der Datenschutz Vorrang, da keine persönlichen Daten erforderlich sind.
Der letzte Aspekt sind kontextbezogene Daten. Zuvor stützte sich das Contextual Targeting auf eine begrenzte Menge an Daten, was die Effektivität erheblich beeinträchtigte. Jetzt ist die Bandbreite verfügbarer kontextbezogener Daten größer. Dazu gehören unter anderem das lokale Wetter, die Tageszeit, lokale aktuelle Ereignisse und Trends sowie die Inhalte, die dem Betrachter präsentiert werden.
KI-Techniken, die modernes Contextual Targeting unterstützen
Natürliche Sprachverarbeitung (NLP)
Die Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) ist ein Teilbereich der KI. Sie ermöglicht es Computern, Text oder Sprache auf menschenähnliche Weise zu verstehen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Wiederbelebung des Contextual Targeting.
KI, die über Algorithmen zur Verarbeitung natürlicher Sprache verfügt, versteht Inhalte nicht nur durch das Scannen von Schlüsselwörtern, sondern auch durch die Analyse der allgemeinen Stimmung und Absicht des Inhalts. Wenn Werbetreibende die Intention des Inhalts verstehen, können sie ihre Anzeigen besser auf die Bedürfnisse der Nutzer abstimmen.
Bild- und Videoerkennung
Jahrelang waren Bilder ein blinder Fleck für Suchbots. Sie kamen nicht über die Analyse von Meta-Beschreibungen wie ALTs und Titel hinaus und konnten den Inhalt der Bilder nicht „sehen“. Das war insbesondere durch den Aufstieg von Videoinhalten problematisch, die allgemein als das ansprechendste Format gelten.
Dank der Fortschritte in der Bilderkennungstechnologie ist KI in der Lage, Bild- und Videoinhalte auf einer Seite nahtlos und in Echtzeit zu erfassen. Dies schließt eine große Lücke und ermöglicht eine bessere Ausrichtung der Anzeigen.
Maschinelles Lernen (ML)
Machine Learning (ML) ermöglicht einen kontinuierlichen Lernzyklus, bei dem sich das System abhängig von den gesammelten und analysierten Daten über die Zeit verbessert.
Das führt zu einem besseren Verständnis dafür, welche Kombinationen von Kontextdaten zu einer besseren Anzeigen-Performance beitragen. So nutzen Werbetreibende eine wirkungsvolle Kombination aus kontextbezogenen Daten, maschinellem Lernen und KI für intelligentere Werbestrategien.
Contextual vs. Behavioral Targeting
KI-gesteuertes Contextual Targeting | Behavioral Targeting | |
---|---|---|
Was ist es? | KI-gesteuertes Contextual Targeting untersucht Inhalte mithilfe verschiedener KI-Technologien wie der Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP), maschinellem Lernen (ML) und Bild- und Videoerkennung, um Texte, Bilder, die Seitenstruktur und andere Inhaltselemente zu bewerten und relevante Anzeigen zu schalten. | Behavioral Targeting nutzt den Browserverlauf, Klicks, Käufe und andere verhaltensbasierte Indikatoren, um gezielte Anzeigen zu schalten. |
Wie wirkt sich das auf die Privatsphäre der Nutzer aus? | Die kontextbezogene Werbung basiert nicht auf personenbezogenen Daten. Somit ist es unwahrscheinlich, dass sie sich auf den Datenschutz auswirkt. | Verhaltensbasiertes Targeting basiert auf persönlichen Browsing-Daten und wird daher unter Umständen als aufdringlich empfunden. |
Wie hat es sich über die Zeit entwickelt? | Contextual Targeting wurde wegen begrenzter Anpassungsoptionen in Echtzeit als weniger effektiv angesehen als Behavioral Targeting, aber dank der KI ändert sich diese Ansicht. Da KI den Inhalt einer Website „versteht“, kann kontextbezogene Werbung sowohl präzise als auch datenschutzfreundlich sein. | Verhaltensbasiertes Targeting, einst ein Juwel für Werbetreibende, verlor allmählich seinen Glanz, weil es zu intensiv genutzt wurde. Die ständige personalisierte Werbung begann die Nutzer zu verunsichern und sie fühlten sich im Internet belästigt. Diese Anzeigen waren zwar personalisiert, aber ihre Relevanz nahm mit der Zeit ab. |
Wie sieht die Praxis aus? | Liest ein Nutzer einen Blog über Gartenarbeit, sieht er eventuell Werbung für Gartengeräte. | Kauft ein Nutzer häufig online Gartengeräte ein, sieht er eventuell Anzeigen für ähnliche Produkte auf verschiedenen Websites. |
Contextual Targeting in der Werbung
Die jüngste Variante des kontextbezogenen Targeting basiert auf KI-Modellen. Sie hat sich zu einer der vielversprechendsten Targeting-Methoden der Werbeindustrie entwickelt, bei der der Datenschutz im Vordergrund steht. Diese Art der Zielgruppenansprache entspricht dem Bedürfnis der Nutzer nach personalisierten Erlebnissen und gleichzeitig ihrem Widerwillen, ihre Daten allzu leicht preiszugeben.
Nur 33 Prozent der Europäer*innen vertrauen darauf, dass Unternehmen mit ihren digitalen Daten verantwortungsbewusst umgehen.
EOS-Studie “Was sind Daten wert?”
Contextual Targeting in Google Ads
Wie sieht kontextbezogenes Targeting auf einer der gängigsten Werbeplattformen aus? Der Prozess ist ziemlich standardisiert.
Die Kampagnenparameter einrichten
Während der Einrichtung ihrer Werbekampagne legen die Werbetreibenden die spezifischen kontextbezogenen Kategorien und/oder Schlüsselwörter fest, auf welche sie bieten wollen. Die Plattform bezeichnet diese als „Themen“. Sind die Kampagnenparameter, einschließlich der Reichweite-Präferenzen, festgelegt, ist die Kampagne startbereit.
Anzeigen mit relevanten Inhalten abgleichen
Anschließend durchsucht Google das Google Display Network (GDN), um Publisher zu ermitteln, die mit den kontextbezogenen Benchmarks der Kampagne übereinstimmen.
Die Anzeigen platzieren
Die vom Werbetreibenden bereitgestellten Werbemittel werden dann auf der/den von Google ausgewählten Website(s) präsentiert. Der Umfang der Anzeigenschaltung innerhalb des GDN richtet sich nach den Reichweite-Präferenzen des Werbetreibenden.
Contextual Targeting: Vor- und Nachteile
Vorteile:
- Datenschutz-Compliance: Es hält sich an Datenschutzvorschriften wie die DSGVO.
- Relevanz: Die Werbung ist inhaltlich relevant und verbessert das Nutzererlebnis.
- Weniger aufdringlich: Wird im Vergleich zu verhaltensorientierter Werbung als weniger störend empfunden.
- Vertrauensbildend: Baut Vertrauen bei der Zielgruppe auf.
Nachteile:
- Beschränkte Personalisierung: Da es keine Nutzerdaten verwendet.
- Zeitaufwendig: Erfordert Zeit und Aufmerksamkeit bei der Auswahl geeigneter Keywords und Inhalte für das Targeting.
- Skalierungsprobleme: Schwierig zu skalieren, hauptsächlich in Markenkontexten.
- Probleme mit breitem Inhalt: Ist auf Websites mit breitem oder allgemeinem Inhalt womöglich nicht effektiv.
Fazit
Das sogenannte Contextual Targeting entwickelt sich zu einem der erfolgversprechendsten Verfahren für datenschutzkonforme Werbung. Es ermöglicht eine natürlichere und weniger aufdringliche Anzeigenbereitstellung ohne Leistungseinbußen. Die heutige Version des kontextbezogenen Targetings profitiert von den Fortschritten in der künstlichen Intelligenz, die eine differenziertere Einsicht und eine präzisere Analyse von Inhalten ermöglicht, unabhängig vom Gerät, auf dem sie angezeigt werden.
Google unterstützt die bevorstehende Abschaffung der Cookies von Drittanbietern. Dadurch wird die Relevanz und Aktualität von kontextbezogenem Targeting als praktikable, datenschutzfreundliche Alternative unterstrichen.